Eingetaucht den Federkiel
In der schwarzen Tinte Tiefe..
Schaben auf dem Pergament,
Wenn der Worte Schweife tanzen..
Danke, dass dein Blicke fiel
Aufs Zusammenspiel der ganzen!


Mittwoch, 7. Januar 2015

Ein Buch im Regal - Zusatzaufgabe zur Book-Whisperer-Challenge

Es war der erste Mittwoch im neuen Jahr, was bedeutete, dass dieses Jahr schon eine ganze Woche alt war!
Durch die geöffnete Wohnzimmertür waren Schritte zu hören, Schritte, die sich näherten. Die Kanarienvögel begannen fröhlich zu zwitschern, denn sie identifizierten diese Schritte schnell als die ihrer menschlichen Mitbewohnerin.
Als diese den Raum betrat und stehen blieb, lächelte sie und strahlte diese gewisse Zufriedenheit aus, die sie meistens hatte, wenn sie vor dem Bücherregal inne hielt.
Sie ließ den Blick suchend über all die bunten Buchrücken gleiten, die dort aufgereiht waren, und ein Buch wartete besonders angespannt darauf, was sie als nächstes lesen wollte.
Es stand hier schon so lange und harrte aus, um nur endlich von diesen Fingern berührt zu werden, um das Gefühl zu spüren, wenn ein leiser Lufthauch über aufgeschlagene Seiten fuhr, die flüsternden Wörter endlich gelesen werden würden…
Die schmale Frauenhand griff ins Regal und ließ die Hand kurz in der Luft inne halten, während sie eine Entscheidung traf. Die Finger bewegten sich in Richtung des hoffenden Buches, dessen orangener Schutzumschlag sich ihr hoffnungsvoll einen Mykrometer entgegenreckte - nur, um dann zu dem schwarzen Einband zu seiner Linken zu greifen und seinen Nachbarn aus dem Regal zu befreien.
Das orangefarbene Buch seufzte frustriert, wobei sich die Buchseiten ein wenig spreizten. Wenigstens drückte der Nachbar jetzt nicht mehr ständig auf die Stelle, wo einst der Preisaufkleber gesessen hatte, vor nahezu zwei Jahren, als es bei der blonden Leserin eingezogen war.
Wie froh war es gewesen, damals, als es endlich aus dem Laden befreit worden war, wo so viele Bücher darauf warteten, mitgenommen zu werden! Wie frustrierend war das Gefühl, erst einen Preisnachlass zu brauchen, um gekauft zu werden, aber wie schnell hatte es eben jene Demütigung vergessen, als die blonde Frau gestrahlt hatte und ihre Finger zärtlich über den Einband strichen… Und heute hatte sie es wieder einmal verschmäht!
Es war sich bewusst, dass es das dickste Buch hier im Regal war. 1118 Seiten waren mit Geschichte und Bildern bedruckt, dazu kamen zwei Seiten mit Höhlenmalerei von Pferden. Dieser Druck war genauso orange wie der Schutzumschlag, logisch. Nur der Einband fiel etwas aus der Reihe, als hätte man zu viel Rot in die Mischung getan, als man auch hier die Farbe der leckeren Frucht erreichen wollte.
Wieder seufzte es, wobei es froh war, den schützenden Umschlag nun ein wenig lockerer auf dem Stoff des Einbandes zu spüren. Erneut ging es jene Argumente durch, die erklärten, warum es noch warten musste und schon wieder nicht ausgewählt worden war, um gelesen zu werden:
Zuerst einmal war da seine Breite. Es war stolz darauf, das dickste Buch zu sein, aber dieses Gewicht musste doch auch irgendwie abschrecken. Schließlich griff die Leserin immer wieder zuerst nach viel schlankeren Kollegen. Zugegeben, der schwarze Nachbar war nur etwa halb so dick, aber mit 575 bedruckten Seiten auch nicht der schlankeste Vertreter ihrer Spezies. Aber eine Diät, wie sie die Menschen machten, kam nicht in Frage. Wie viel Geschichte ginge dabei nur verloren!
Nein, es musste daran liegen, was auf dem Schutzumschlag und auf dem Einband und dann auch noch einmal im Inneren stand: Sein Titel! Ayla und das Lied der Höhlen. Das Buch wusste, dass die blonde Leseratte sehr gerne Musik hörte und auch Musik machte, darum wunderte es sich schon ein wenig, warum sie etwas mit “Lied” im Titel verschmähte. Andererseits handelte der Nachbar zur Rechten von einer Nebelsängerin, und der stand mindestens genauso lange in diesem rötlichen Regal. Allerdings hatte er im Gegensatz zu unserem Freund auch wenig Ambitionen, gelesen zu werden…
Seufzend erinnerte es sich, welche Worte auf dem Inneren des Schutzumschlages abgedruckt worden waren: “Jean M. Auel legt den krönenden Höhepunkt ihrer Steinzeit-Saga vor”. Da waren die Worte, die ihm als wahrscheinlichster Grund für seine lange Wartezeit erschienen: Es war der letzte Band einer Reihe! Und hatte die Leserin nicht damals fast getanzt vor Glück, als sie es fand, und zugleich festgestellt, dass sie dann die ganze Reihe noch einmal lesen müsse?
Erneut sträubten sich die dünnen Seiten ein wenig, als ein Seufzer den Buchrücken schüttelte. Dieses Jahr, da würde es bestimmt gelesen werden! Dieses Jahr hatte sich der Blondschopf schließlich vorgenommen, 15 Reihen abzuschließen, und hatte am Telefon auch über viele andere “Buchchallenges” mit einer Freundin gesprochen. Und sie hatte erzählt, dass sie das dickste Buch auf ihrem SuB würde lesen müssen.
SuB, auch so ein komisches Worte. Stapel ungelesener Bücher, soviel wusste der Regalbewohner. Aber es war doch gar nicht Teil eines Stapels, sondern stand schon viel zu lange in diesem Regal… Aber die Blondine hatte die Seitenzahlen einiger besonders stämmigen Vertreter seiner Gattung angeschaut und aufgeschrieben und hatte nicht mehr weitergesucht, nachdem sie die 1118 auf einem Zettel notiert hatte.
Das Buch sah das als gutes Zeichen an. Diese Challenges, die waren ihr wichtig. Also würde es dieses Jahr gelesen werden, das spürte es selbst in dem letzten Fädchen seiner Bindung noch! Und da es sich um den ersten Mittwoch im neuen Jahr handelte, der zudem der 7. Januar war, hatte sie noch 358 Tage Zeit dafür, es zu lesen und ihre geliebten Rezensionen zu schreiben.
358, das war überschaubar. 358 Seiten waren knapp ein Drittel seiner ganzen Seiten, und die waren ein viel überschaubarerer Zeitraum als dieses “irgendwann”, das die Menschen so liebten.
Mit einem Lächeln lehnte es sich an seinen mürrischen Nachbarn und wartete darauf, dass die Zeit verstrich.

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